GRUSSWORT
Leev Jecke
Der Rosenmontagszug ist aus dem Kölner Karneval nicht wegzudenken. Als feste Konstante war er seit 1823 der Höhepunkt (fast) jeder Session, auch wenn er vielfach verändert oder gar neu erfunden wurde. Ob Unwetter, Kriege oder Corona: Der Zug ist immer mal wieder durch die ein oder andere Krise gegangen und hat von seinen Machern nicht selten Spontanität und eine ordentliche Portion Kreativität gefordert.
Der „Zoch“, wie wir Kölner in liebevoll nennen, hat über die Jahrhunderte mehrfach Wege und Formen gewechselt. Er verkörpert den karnevalistischen Geist der Stadt, macht den Menschen in traurigen Momenten wieder Mut. Absagen ist dabei immer die allerletzte Option, und oft haben sich die Kölner dann einfach ihren eigenen Zoch geschaffen.
Unter dem Motto „Mer sin widder do un dunn wat mer künne!“ zog am 28. Februar 1949 zum ersten Mal nach dem Krieg wieder ein Rosenmontagszug durch die Stadt. Köln lag weitestgehend in Trümmern, trotzdem ließen es sich Hunderttausende Menschen nicht nehmen, sich den gerade einmal 1,6 Kilometer langen Zug anzuschauen und auch in dieser herausfordernden Nachkriegszeit ein fröhliches, wenngleich noch etwas zögerliches „Alaaf!“ durch die Straßen Kölns zu tragen. Die Menschen waren glücklich, endlich wieder einen Rosenmontagszug erleben zu dürfen und ihre Sorgen zu vergessen. Auch mit dem Puppenzoch, der in Kooperation mit dem Hänneschen-Theater entstanden ist, ist uns im vergangenen, ersten Coronajahr ein ganz besonderes, wenn auch einmaliges jeckes Highlight gelungen. 16 Persiflagen, Funken, Jecken und das Dreigestirn sind als Stockpuppen und im Miniaturformat durch die nachgebaute Kulisse der Kölner Altstadt gezogen. Mit diesem echt kölschen Zug konnten wir das traurige Karnevalistenherz zu Hause zumindest wieder ein bisschen höherschlagen lassen.
Mit einem hoffnungsvollen Blick schaue ich auch auf einen ganz außergewöhnlichen Zoch im kommenden Jubiläumsjahr: 200 Jahre Kölner Karneval feiern wir 2023. Und auf den Zoch kommt dann eine große, sehr schöne Veränderung zu. Erstmals in der jahrhundertealten Geschichte des Kölner Karnevals ziehen die Jecken an Rosenmontag über den Rhein von einer Seite zur anderen. Denn der Zoch verbindet nicht nur Menschen, sondern endlich auch die Schäl Sick mit dem linksrheinischen Köln. Da schlägt das Jeckenherz höher! Als Zochleiter, der im Rechtsrheinischen seine Heimat gefunden hat, war es schon lange mein Traum, den Rosenmontagszug eines Tages über den Rhein zu bringen. Und dass sich dieser Traum gerade 2023 erfüllt, macht mich wirklich froh.
Erst buchstäblich in letzter Minute vor Drucklegung dieser Zeitung wurde klar, wie wir den Rosenmontag feiern können. Ein verkürzter Zug durch das Rheinenergie-Stadion vor einigen Tausend Jecken und dem Publikum des WDR ist das Ergebnis wochenlanger Planungen und Umplanungen. Damit alle Kölner ein Stück von „ihrem” Zoch erleben können, werden die Persiflagewagen anschließend 24 Stunden lang auf Plätzen in der Innenstadt ausgestellt –
eine Einladung zum karnevalistischen Bummeln. Damit wollen wir den Kölnern auch in der zweiten Coronasession ein kleines, jeckes Geschenk machen – viel mehr erlaubt die Pandemie uns allen leider noch nicht.
Leev Jeck, seid euch gewiss, D’r Zoch kütt – irgendwie, auch in Krisenzeiten. Das lehrt uns die Geschichte und das verspreche ich Ihnen allen da draußen auch wieder in diesem Jahr.
Mit ganz herzlichem Gruß
Holger Kirsch
Zugleiter Rosenmontagszug